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Josephine Grever

Blöken statt Hupen

Aktualisiert: 6. März 2022

Mit dieser Schlagzeile kündigen die Medien gerne eine uralte Tradition an, die alljährlich in London stattfindet. Und wer am 26. September zur Southwark Bridge spaziert, kann sich selbst ein Bild davon machen.

Die Brücke - eine Verbindung zwischen dem Südufer der Themse und dem Nordufer, mit den Hochhäusern des Finanzviertels als Hintergrundkulisse - ist für den Verkehr gesperrt, damit mehrere Dutzend Schafherden über die Brücke getrieben werden können. Organisiert wird das Ereignis vom Verband der Wollproduzenten. Mit dabei sind der Lord Mayor und Ehrenbürger (Freemen) derCity in ihren traditionellen Gewändern. Eröffnet wird das Schauspiel stets von einer nationalen Ikone, sei es Michael Portillo (ehemaliger Politiker, heutzutage Medienpersönlichkeit) oder Alan Titchmarsh (Gärtner und TV-Moderator). In diesem Jahr hat Amanda Owen die Ehre: Schäferin aus dem nordenglischen Yorkshire, Autorin von drei Bestsellern über ihr Leben mit neun Kindern, 900 Schafen und einem Mann. Am Rande bieten Marktstände Produkte von diversen Berufsverbänden an. Einnahmen werden für wohltätige Zwecke gespendet. Der Andrang ist groß. Abends kehren die Schafe in ihre ländliche Idylle zurück.

Der Sheep Drive ist eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die City war das kommerzielle Herz der Stadt, und der Handel wurde von den Zünften (Livery Companies) reguliert. Diese Berufsverbände, von denen es heute 110 innerhalb der City of London gibt, tragen nahezu alle die Bezeichnung "Worshipful Company of..." (ehrwürdige Zunft der..."), gefolgt vom Namen ihrer jeweiligen Wirtschaftssparte oder ihres Handwerks. Ehrenbürger hatten das Vorrecht, Lebendvieh und Werkzeuge über die London Bridge (bis zum 18. Jahrhundert die einzige Themsebrücke der Stadt) zum Markt zu bringen, ohne Steuern dafür zahlen zu müssen.

Die Worshipful Company of Woolmen, die Ehrenwerte Gesellschaft der Wollproduzenten, gehörte zur kommerziellen Elite dieser Zeit. Nach jahrzehntelanger Pause (bedingt durch die Einführung von motorisierten Fahrzeugen im frühen 20. Jahrhundert) organisierte die Zunft 2013 erneut das Zeremoniell des Sheep Drive, um Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Landwirtschaft zu lenken.

Für das Wohl der Tiere sei stets gesorgt, versichert das Tierschutzamt der City of London. "Wir überwachen diese Ereignisse genau. Neben den Schäfern ist jeweils ein amtlicher Tierarzt zur Stelle, der dafür sorgt, dass allen Erfordernissen entsprochen wird. Dass die Tiere den ganzen Tag gut untergebracht sind und genügend Futter und Wasser haben".


"Kaum ein Tier wird so grob unterschätzt wie das Schaf", ergänzt der Sprecher der Worshipful Company of Woolmen. "In der Tat sind sie intelligente und komplexe Individuen. Am Ende des Tages vermitteln sie eine wichtige Botschaft: Wolle ist nachhaltig und heutzutage so relevant wie eh und je ".




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